Montag, 24. Oktober 2011

Mondstein.

Er sieht auf das Mädchen hinunter. Es liegt vor seinen Füssen am Boden, irgendwo im Wald zwischen Laub, Ästen und Dreck. Überall ist Blut.



In ihren hellbraunen, welligen Haaren haben sich Blätter in allen Herbstfarben verfangen und ihr bleiches Gesicht zeigt blutige Kratzer. Ihre roten und vollen Lippen sind an drei Orten aufgeplatzt, ihr Körper hat offene Wunden.
Doch ihre Augen sind das, das alles klein und unwichtig erscheinen lässt, denn ihre blauen Augen blicken ausdruckslos in den Nachthimmel. Sie kommen ihm leer vor, fast wie ein Loch, ein Grab.
Er streckt seine rechte Hand aus um das Mädchen zu berühren, zieht sie aber dann schnell wieder zurück als er ein Geräusch aus dem Innern des Waldes hört.
Mit gespitzten Ohren lauscht er und wartet darauf etwas wahr zu nehmen. Doch die Nacht bleibt ruhig, regt sich nicht.
So streckt er seinen Arm noch ein zweites Mal nach ihr aus und streicht ihr schließlich fein die Konturen ihrer Lippen nach. Dabei flüstert er immer und immer wieder:"Es ist einfach so passiert. Ich kann doch nichts dafür, du hast es doch so gewollt. Du hast doch gesagt, es sei für uns." Er weiss, dass sie nicht dieses Ende damit gemeint hat, sondern eines, dass für beide bestimmt war.
Nun fängt er an ihre Wange zu streicheln, durch ihre langen Haare zu fahren.
Sein Atem geht schnell und unregelmässig. Dabei hat er das Gefühl unterzugehen, zu ersticken. Doch das Schlimmste daran sind die Bilder in seinem Kopf, die sich immer wieder wiederholen. Wie er das Messer hervorholt, wie dann das Blut fliesst. Der schreckliche Schrei von ihr, wie er ihr den Mund zuhält und wie sie sich hilflos versucht zu befreien.. Wie sie schliesslich stirbt.
Als er ihr über den nackten, mit Blut überströmten Arm streichelt, spürt er etwas ihm Bekanntes.
Erst als er das Mädchen so hindreht, dass ihr Körper im Schein des Vollmondes erkennbar wird, wird ihm klar, was er entdeckt hat.
Es ist das Mondsteinkettchen, das er ihr vor genau einem Jahr geschenkt hat. Damals hat sie gesagt, dass sie ihn lieben wird solange sie die Mondsteine an ihrem Armgelenk trägt.
Damals hat er ihr geglaubt, damals hat er sie geliebt.
Heute liebt er sie immer noch, heute glaubt er ihr immer noch.
"Wach auf, wach doch endlich auf." Die verzweifelten Worte sagt er so leise, dass nur er sie verstehen kann.
Erst als er sie auf die blutroten, verwundeten Lippen küsst, wird im bewusst, was er ihr angetan hat.
Er hat sie umgebracht, kaltblütig ermordet.
Dann küsst er sie noch ein letztes Mal, steht auf und rennt weg. Er lässt sie einfach liegen. Er lässt das Mädchen, das er liebt zwischen Blut, Ungeziefern, Ästen und Laub liegen. Zwischen Lügen, Unklarheiten und Missverständnissen, zwischen Tod und Leben. Zwischen Liebe und Hass.

Dienstag, 30. August 2011

Mein heutiger Tag.

Also ich dachte, dass ich vielleicht einmal etwas über meinen Tag erzählen könnte.^^
Zu meinem Unglück musste ich schon um 6.00 Uhr aufstehen und natürlich hatte ich total Stress, weil ich noch Französischwörtchen lernen musste. Deshalb blieb nur noch wenig Zeit für's schminken, für's Morgenessen und das nötige Styling. Aber nicht weiter schlimm, da ich immer alles sofort wieder in den Griff kriege und so auch heute. Was genau meine Lösung war, gestehe ich euch jetzt nicht.
Danach schnappte ich mir mein Fahrrad und radelte mit meiner besten Freundin in die Schule, wo wir uns als erstes den neusten Klatsch und Tratsch reinzogen und dann klingelte es auch schon zu den fünf Schulstunden am Morgen. Mathematik, Mathematik, Pause, Französisch, Deutsch und nochmals Deutsch. Die Pause war natürlich das Schönste des Morgens und ich plante mit einer sehr guten Freundin ein Fotoshooting, das wir dann in den Herbstferien machen wollen. Sie wird posieren und ich werde mich natürlich als Fotografin nützlich machen, da das mein Fachgebiet ist. Bevor es aber wieder ins Klassenzimmer ging, quaselte ich noch kurz mit meinem besten Kumpel, der mir irgendetwas über meine beste Freundin und eine selbstgezüchtete Gurke erzählte. Aber wenn ich ehrlich bin, habe ich nicht so genau zugehört und habe so ungefähr die Hälfte verpassst.
In den zwei Deutschlektionen hatten wir nicht viel gemacht. Unser Lehrer hat uns ein Buch namens "Der Richter und sein Henker" mitgebracht, das wir lesen sollen. Da es so warm war, durften wir nach draussen gehen, um zu lesen, worüber ich ihm sehr dankbar war. Aber anstatt zu lesen, quatschten ich und eine Freundin von mir noch ein bisschen. Auf jeden Fall hatten wir keine einzige Seite gelesen und jetzt dürfen wir noch etwa 50 Seiten zuhause nachholen. Natürlich tragen wir selber die Schuld.
Am Mittag fragte ich dann meine beste Freundin was es mit dieser Gurke auf sich hatte und sie erklärte mir dann, dass sie mehrere Gurken von einer Freundin bekommen hatte und ihre Familie die Gurken aber nicht alle alleine essen könne. Deshalb würde sie mir zwei am Nachmittag in die Schule bringen. Ach...so war das also^^
Über den Mittag lernte ich noch Gitarre, da ich bald ein Konzert habe und schliesslich möchte ich nicht unbedingt negativ aus der Menge hinaus stechen, weil ich dauernd Fehler mache. Ich habe die Töne und Akkorde schon richtig gut im Griff und habe eigentlich keine Mühe mehr damit.
Am Nachmittag hatte ich zwei Schulstunden Sport, worüber ich mich sehr freute, da ich Sport liebe. Wir spielten daraussen in der prallen Sonne Baseball. Meine Gruppe hatte gewonnen, das muss einfach erwähnt werden.
Nach dem Turnen durfte ich endlich in meine langersehnte Spanischstunde. Yeah... :)  Bevor ich diese aber besuchen durfte, musste ich noch meine Sachen packen, duschen und etwas Kleines essen. Ich hatte Wassermelone mitgenommen, die ich dann aber doch nicht futtern konnte, da sie mir in den Abfalleimer fiel. Gott, wie peinlich. Und jetzt bitte nicht lachen. Ich wollte die Frischhaltefolie, die ich um die Wassermelone gewickelt hatte in den Abfall werfen, aber anstatt diese, schmiss ich die Melone selbst in den Eimer.
Im Spanisch hatte ich dann noch nicht so viel gelernt, aber ich fand es trotzdem super. Nun lerne ich neben Englisch und Französisch auch noch Spanisch. Ich mag Sprachen, müsst ihr wissen.
Auf dem Nachhauseweg wurde ich dann noch von einer alten Dame angequatscht, die kein Deutsch sprach. Wahrscheinlich Albanisch. Ich versuchte ihr zu erklären, dass ich keinen blassen Schimmer hatte wovon sie sprach, aber sie redete einfach weiter und das in einem immer lauteren Ton. Irgendwann ging sie mir auf den Nerv und ich zeigte auf meine Nichtvorhandene Armbanduhr, veranschiedete mich freundlich auf Deutsch und lief dann davon. Ich hatte schon Panik, dass sie mich vielleicht vefolgen könnte.^^
Wieder Zuhause hatte ich dann Hausaufgaben gemacht. Französisch, Englisch, Spanisch, Mathematik, Geschichte und Deutsch. Ganz schön viel, wie ich finde.
Jetzt sitze ich vor dem Computer, schreibe diesen Text und singe lauthals Mr. Saxobeat von Alexandra Stan. Leider muss ich zugeben, dass ihre Stimme sich irgendwie besser anhört als meine. :(
Später werde ich noch in das Tanztraining gehen. Ich freue mich, auch wenn es in der letzten Zeit ein wenig stressig ist, da wir bald einen Auftritt haben. Ich muss in der vordersten Reihe tanzen und das auch noch in der Mitte. Hoffentlich glotzen dann nicht alle auf mich, denn schliesslich bin ich nicht ein Affe im Zoo, der um jeden Preis bewundert werden will.
Nach dem Tanzen werde ich dann noch ein bisschen mit einer Freundin über alles Mögliche sprechen. Über den Auftritt, über Jungs, andere Mädchen, die Schule,...wie man so schön sagt: Über Gott und die Welt. Meistens vergessen wir dann die Zeit und ich bin dann erst so um 21.00 Uhr zuhause. Dann muss ich nochmals duschen und etwas zu Abend essen und dann werde ich meine 50 Seiten noch lesen. Aber für mich ist das kein Problem, da ich gerne lese.
So das wars. Kein extrem spannender Tag, aber was soll...bis bald. <3

Sonntag, 28. August 2011

Ich liebe ihn, hasse ihn.

Ich hasse ihn, hasse mich.


Ihn, weil er mich innerlich kaputt macht.
Mich, weil ich ihm jedes Mal wieder verzeihe. Jedes verdammte Mal.
Doch ich kann einfach nicht mehr, denn ich will so einfach nicht mehr weiter leben.
Nie wieder geschlagen werden.
Nie wieder betrogen werden.
Nie wieder angeschrien werden
Nie wieder gesagt bekommen, dass er mich hasst.
Nie wieder. Nie wieder. Hört ihr? Ich will das einfach nie wieder.
Wenn ich bemerke, dass er mich betrügt, dann entschuldigt er sich schnell und sagt, dass er es nie wieder tun wird. Ich glaube ihm.
Wenn er mich schlägt, ist es jedes Mal wieder egal sobald er sich wieder entschuldigt hat.
Wenn er mir wieder sagt, dass er mich hasst und mich dazu noch  anschreit, ist alles wieder Ok, wenn er mir "ich liebe dich" sagt und mich anschließend küsst.
Er muss sich nur entschuldigen, mich küssen oder sie drei magischen Wörter sagen, dann verzeihe ich ihm.
Aber ich werde ihm nie wieder verzeihen. Auch wenn ich ihn liebe. Ja, ich liebe und hasse ihn zugleich. Und das Schlimme ist, dass ich nicht weiss, welches Gefühl stärker und größer ist. Aber ich weiss, dass beide Emotionen mich innerlich zerreissen, mich innerlich auffressen.
Heute morgen ist es wieder passiert. Er hat mich geschlagen. Einfach so. Es hatte keinen Grund. Nur die Wut in ihm drin. Die Wut, die sich in seinem Herzen ansammelt und die er irgendwann wieder an mir auslassen muss.
Am Anfang dachte ich immer, dass sich mit ihm alles ändern würde. Dass ich endlich jemanden gefunden habe, der mich versteht und der mich wirklich liebt. Zu diesem Zeitpunkt habe ich wirklich gedacht, dass sich alles bessern würde.
Und nun sitze ich hier auf unserem leeren Bett. Allein. Mein Körper ist voller blauer Flecken und einzelnen, blutigen Wunden.


Dann kommt er ins Zimmer, setzt sich neben mich aufs Bett. Am liebsten möchte ich wegrennen, ihm sagen, dass es aus ist. Mit uns. Fertig. Beendet. Dass ich ihn verlasse. So wie ich es mir vorgenommen habe.
Doch ich sage nichts, bleibe einfach still, leide vor mich hin.
"Ich liebe dich, das weisst du", flüstert er und fügt dann noch rasch hinzu:"Es tut mir so unendlich Leid."
Sanft legt er den Arm um mich.
Ich möchte "Nein" schreien, doch stattdessen nicke ich einfach langsam.  Es ist dieser Augenblick, in dem ich ihm wieder verzeihe, ihm wider vertraue. Ungewollt.
"Ich liebe dich auch", sage ich leise und dann küsst er mich auf den Mund.
Um mich ist es geschehen.
E hat mich wieder in seiner Macht, seiner Gewalt. Ich gehöre wieder ihm. Nur ihm, niemandem anders.

Sonntag, 31. Juli 2011

Ohne ihn.

Ich bin am Strand, mein Blick starr auf's Meer gerichtet. Die Sonne ist am untergehen und sie wirft lange Schatten auf das Meer. Es ist Flut, die Wellen sind groß und es ist die beste Zeit zum surfen. Der Sand kitzelt zwischen meinen Zehen und ich höre das Kreischen der Möwen, die über dem Wasser ihre Runden drehen.


Ich wünsche mich weit weg. Irgendwohin, nur nicht hier. Morgen werde ich weg sein, wieder zu hause, aber ich will nicht nachhause. Überall nur nicht hier oder zu hause. Irgendwo, wo ich nicht an ihn denken muss.
Ich dachte, dass das mit uns etwas spezielles ist, dass es anders wäre.
Satte sechs Wochen habe ich mit ihm verbracht. Er hat mir surfen beigebracht. Er hat mir seine Welt gezeigt.
Jeden Tag habe ich mit ihm verbracht. Meistens am Strand, aber wir waren auch zusammen Essen, oder einmal hat er mir die Stadt gezeigt und dann haben wir uns zusammen den Sonnenuntergang angesehen.
Ich dachte echt, dass wir das alles schaffen können. Gemeinsam. Auch wenn wir eine halbe Ewigkeit von einander wegwohnen. Nun muss ich mir eingestehen, dass es vorbei ist. Nach allem, was passiert ist. Einfach so.
Er hat gelogen, die Sachen einfach nur erfunden.
Und dann gebe ich die Schuld mir. Ich meine, warum habe ich mir nicht einfach Zeit genommen, um ihn besser kennen zu lernen. Aber nein, ich musste alles überstürzen. Ich war mir so sicher, so verdammt sicher.


Und jetzt stehe ich da, mit nichts und niemandem.
Er ist weg gegangen nach dem er mir die Wahrheit gesagt hat.
Wie können Worten jemanden so verletzen, innerlich so zerstören? Ich wusste, dass es weh tut, wenn man so belogen wird, aber so fest? Es schmerzt extrem und alles nur, weil ich mir alles eingebildet habe. Und weil ich ihm vertraut habe, ihm alles geglaubt habe, was er mir erzählt hat.
Und nun drehe ich mich, laufe und laufe. Immer weiter entferne ich mich vom Meer, von dem Ort, wo ich ihn kennen gelernt habe. Es ist Zeit es hinter mir zu lassen, neu anzufangen. Und das ohne ihn.

Freitag, 1. Juli 2011

Unfähig.

Man kennt dieses Gefühl oft von Büchern, die man liest. Wenn man es dann fertig gelesen hat, denkt man sich kurz, wie es wohl wäre, es selbst zu erleben, doch man vergisst es schnell wieder.

Man liegt einfach nur da, unfähig sich zu bewegen.

Man möchte sich wehren, schreien, dagegen ankämpfen, doch es geht nicht. Die bringst kein Laut aus deinem Mund, deine Arme lassen sich nicht bewegen. Der Blick ist starr und ausdruckslos an die weisse Decke geheftet. Du fühlst dich schwer und alt, fast so, als wärst du nicht wirklich an diesem Ort. Fast so, als würdest du nicht leiden. Deine Gedanken sind dir und du weisst, was du fühlst, aber du hast deinen Körper nicht unter Kontrolle, denn er gehorcht dir nicht, kein Stück.
Du liegst einfach nur da und wartest bis es zu  Ende geht, bis es endlich vorbei ist. Die Person weiss, dass du Schmerzen hast, er weiss es ganz genau.
Doch dieser eine Mensch hat keine Gefühle für dich. Schon gar nicht Gute.
Du möchtest, dass du in diesem schrecklichen Moment nicht mehr fühlen und nicht mehr klar denken kannst.
Und das schlimmste daran ist, dass man dieses Gefühl nicht beschreiben kann. Man ist hilflos, allein. Für das Gefühl der Demütigung gibt es keine Beschreibung, denn man ist so ausgeliefert.
Dieser Moment ist gespeichert, wird nie wieder losgelassen, denn es ist ein Moment, der Verzweiflung.

Freitag, 24. Juni 2011

Schlechtes Gewissen.

Jedes mal, wenn er vor mir steht, kommt wieder dieses schlechte Gewissen in mir hoch und lässt mich nicht mehr los. Am liebsten würde ich jedes mal wegrennen, mich vor ihm verstecken.
Niemals wollte ich, dass das passiert. Niemals dachte ich auch nur daran, das so etwas passieren könnte.
Doch es geht nicht weg, verfolgt mich immer, wenn ich ihn ansehe, immer wenn ich mit ihm spreche oder wenn ich ihn berühre. Am liebsten würde ich einfach Abstand von ihm halten und warten bis alles vorbei ist, bis er alles überwunden und es endlich kapiert hat.
Doch er macht es nur noch schlimmer, in dem er mir dauernd Sms schreibt, mich oft anruft, mir liebevolle Sätze sagt, mich dauern berührt oder mir einfach nur in die Augen sieht.
Wie oft habe ich ihm schon gesagt, dass er aufhören soll, mich einfach in Ruhe lassen soll? Bestimmt hundertmal.
Und dann kommt er mit seinen doofen Behauptungen, dass er der Beste für mich sei, dass er nur das Beste für mich will.
Aber ich habe es satt. Ich will ihm nicht mehr zuhören und ich will mir nichts von ihm sagen lassen. Ich weiss, dass er mich wirklich "mehr als nur mag", aber das spielt keine Rolle.  Ich mag ihn sehr, aber das Verb "mögen" ist etwas anderes, als "lieben".
Und es tut mir Leid, da ich ihn nie verletzen, ihm nie Schmerzen zufügen und ich ihn nie so leiden sehen wollte.
Aber ich werde mich zu nichts zwingen und auch nichts etwas machen, was ich für falsch halte, und ich genau weiss, dass ich es bereuen werde.



Deshalb umarme ich ihn ein letztes mal, sehe ihm tief in die Augen, lasse ihn los und sage: " Wenn du losgelassen hast, werde ich wieder kommen." Dann drehe ich mich um und laufe davon.

Sonntag, 12. Juni 2011

Mein Leben, von dem er nichts weiss.

"Es ist still. Sie hat die Stille noch nie gemocht, doch jetzt scheint die Stille unerträglich zu sein. Sie schaut auf das Foto, das sie mit beiden Händen fest umklammert. Für die Person auf dem Bild hat sie vor langer Zeit Liebe empfunden. Heute weiss sie nicht mehr, wie es ist Liebe zu empfangen, wie es ist, Liebe zu zeigen.
Was heisst schon "Liebe"? Es ist nur ein Wort. Ein Wort ohne Bedeutung. Ein Wort, wie alle anderen es auch sind. Unnützlich, sinnlos, falsch, verlogen.
Sie hat gedacht, dass eine Liebe zu ihr für immer halten würde. Für immer. Für immer und ewig.
Und auch das waren nur Worte.
Wie sie Worte verabscheute, wie sie Worte hasste. War das einzige Gefühl, das sie noch besitzt, Hass?`Ist es wirklich das einzige Gefühl, das sie noch fühlen kann und will?
Und dann wird endlich die Stille unterbrochen."



Ich lege den Stift zu Seite und wende das Blatt auf die Rückseite. So, dass er nicht sehen kann, was ich geschrieben habe.
"Süße, was machst du da?", fragt mich mein Mann.
Ich halte seinen missbilligten Blick stand und antworte: "Ich schreibe."
Er guckt mich noch einmal kurz an, dann dreht er sich um und meint beim Weggehen: "Wie oft muss ich dir noch sagen, dass du damit aufhören sollst? Anstatt irgendwelche Scheiße aufzuschreiben, die niemand lesen will, solltest du etwas Vernünftiges machen."
Er weiss nicht, dass es mein Leben ist, das ich aufs Blatt bringe. Mein Leben, meine Gefühle und Geheimnisse, meine Wünsche und Träume.
Nun habe ich es endgültig satt. Er behandelt mich so, als wäre ich ein Mistsück und für nichts zu gebrauchen. Ich will nicht dauernd angemotzt werden, sondern auch mal hören, dass ich etwas gut gemacht habe. Ich bin dazu da, dass er seine schlechte Laune an mir auslassen kann. Für ihn bin ich selbstverständlich, doch ich kann nicht mehr. Ich will meine Wünsche und meine Träume verwirklichen. endlich das machen, was ich für richtig halte und nicht das, was er für richtig hält.
Und dann, als er weg ist, stehe ich auf und packe meine Sachen zusammen. Am Schluss lege ich alle beschriebenen Seiten, in denen ich und er so oft vorkommen auf seinen Arbeitstisch. Ich sage ihm nicht, dass ich ihn hasse, denn er soll es lesen. Er soll lesen, was er mir alles angetan hat, was er mir alles vorgeschrieben hat und wie viel er mir genommen hat. Er soll es lesen, wenn ich weg bin, fort. Für immer. Für immer und ewig.



Er merkt nicht, dass ich die Tür öffne und gehe. Es ist die Freiheit, die ich entdecke, die ich liebe. Kein Hass, nur Liebe.

Freitag, 27. Mai 2011

Verluste einer Person, die dir wichtig war.

Erst, wenn man eine Person, die man sehr mochte verliert, merkt man, wie wichtig sie einem war.
Egal ob es der Tod eines Menschen war, das Ende einer Freundschaft, oder die Trennung in einer Beziehung.
In meinem Fall ist es der Verlust einer Person, die ich extrem mochte, die mir wichtig war, die mir immer noch wichtig ist und die mir immer wichtig sein wird.
Man ist traurig, weil man weiss, dass diese Person nie wieder bei dir sein wird, weil sie für immer weg sein wird. Man ist enttäuscht, weil es nicht jemand anderes sein konnte, der sein Leben geben musste. Man ist wütend, weil man die Person nicht retten konnte, weil man ihr nicht helfen konnte.
Aber man weint nicht, weil dieser jemand für immer weg ist, nein, man weint, weil man allein sein wird und weil man leiden wird.

Man blickt zu dem Platz zurück, an dem die Person immer war und sieht, dass dort jetzt niemand mehr ist. Der Ort ist leer und einsam. Ja, man könnte sagen, dass der Platz allein ist, verlassen.

Nach dem man den Schock ein wenig überwunden hat, kommen Schuldgefühle auf, die nicht kleiner werden und man macht sich Vorwürfe , die nicht verschwinden.
Man kann sich an alles Negative erinnern, An alles. An die bösen Worte, die man diesem jemand gesagt hat, an jeden noch so kleinen Streit, an jede einzelne, gemeine Geste
Und schließlich fragt man sich, warum, dass man nicht mehr mit der Person unternommen hat, warum, dass man sich nicht mehr mit dieser Person unterhalten hat, warum, warum, warum.
Ich glaube, nein, wahrscheinlich weiss ich sogar, dass man sich niemals an den Tod gewöhnen kann und das man immer wieder leiden wird, wenn jemand nettes von uns gehen wird.
Trotzdem wird die Wunde, die der Tod angerichtet hat, sich nie schließen. Sie wird bleiben bis auch ich gehe, bis auch ich sterbe.
Aber zu guter Glück kann ich auf die gemeinsam Zeit zurück denken und dann weiss ich, dass es eine schöne Zeit war. Vielleicht war sogar ZU schön.

Dienstag, 26. April 2011

Momente im Leben, die man nie vergisst.

Es ist Herbst. Am Himmel stehen graue, fast schwarze Wolken und es ist kalt, zu kalt. Die Bäume sind kahl, blattlos, denn ihre noch gerade farbigen Blätter liegen jetzt einsam am Boden.
Und jetzt steht er vor mir. Genau ein Jahr ist es her, als ich ihn das letzte mal gesehen habe, als ich das letzte mal mit ihm gesprochen habe. Es ist lange her, schon so lange.

Die Brücke, auf der wir stehen ist morsch und man könnte meinen, dass sie bald zusammen bricht.
"Hallo", begrüsst er mich freundlich, so als wäre zwischen uns nichts gewesen, nichts passiert.
Ich schweige, sage nichts, denn es kommt keinen Ton heraus.
"Wie geht es dir?", fragt er mich.
Als ich meine Stimme wieder finde, räuspere ich mich dreimal hintereinander und möchte am liebsten sagen:" Scheisse, es geht mir scheisse." Doch stattdessen sage ich nur:" Es geht mir super, wirklich. Es ging mir nie besser.Und dir?" Es ist eine Lüge, die grösste Lüge dieser Welt, doch ich will keine Schwäche zeigen. Nicht vor ihm. Nicht vor dem Typen, den ich liebe, den ich immer noch liebe, den ich immer lieben werde.
"Mir geht es auch gut", murmelt er.
Ich lächle ihn an und hoffe, dass er nicht merkt, dass das Lächeln falsch ist, nicht echt. "Und? Was habe ich verpasst?"
Nun lacht auch er mich an. Nur leicht, aber es ist ein Lachen. "Ich bin ausgezogen", meint er und macht eine kleine Pause. Dann spricht er weiter."Es ist ein abgeschiedenes, halbzerfallenes Waldhaus. Irgendwo im Nirgendwo eben."

Langsam nicke ich und frage ihn dann:" Hat es Efeu, das das Haus raufwächst? Und einen Wald, einen grünen Wald, in dem du jeden Abend spazieren gehst? Und dann noch einen kleinen See vor dem Haus, an dem du den Sonnenuntergang geniesst?"
Sein Blick wird schwächer und er wendet ihn schliesslich ganz ab.
"Ja, aber du weisst ganz genau, dass es schon immer mein Wunsch gewesen war", erwidert er mit dem Blick auf den Strassenboden.
Wieder nicke ich langsam.
Schüchtern sehen seine Augen nun wieder in meine. "Lebst du noch bei deinen Eltern?"
Ich schlucke schwer und versuche die Tränen zurück zu halten. Es klappt. "Nein, meine Eltern sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Danach bin ich zu Chris gezogen."
Er zuckt kurz zusammen und sagt:" Es tut mir leid:"
"Das tut es jedem, aber das nützt nichts, den es macht sie auch nicht wieder lebendig", meine ich.
"Stimmt. Warum bist du zu Chris gezogen?", will er wissen.
"Er war der einzige, den ich hatte und der einzige, der für mich da war. Er hat mich unterstützt mit allem klar zu kommen", erkläre ich ihm.
Er öffnet seinen Mund, doch bevor er etwas sagen kann, füge ich hunzu:"Weisst du, es war alles zu viel. Der Tod meiner Eltern, der Umzug meiner besten Freundin und der Schlussstrich zwischen uns.
"Es tut mir so leid", entschuldigt er sich nun schon das zweite mal.
Ohne auf seine Entschuldigung einzugehen, frage ich ihn:"Warum hast du dieses Haus gekauft? Dieses Haus war der Wunsch von uns beiden. Von uns, nicht nur von dir allein."
Er schüttelt den Kopf, zwei Tränen rollen ihm die leicht gerötete Wange runter.
"Verdammt, es war unser Wunsch, unsere Liebe zueinander. Aber mein bester Kumpel hat dich geliebt. Ich habe ihn schon seit 12 Jahren gekannt. Ich wollte nicht, dass er so leidet. Verstehst du denn nicht?", versucht er zu erklären.
"Du hast dich von mir getrennt, weil du ihm die weiteren Schmerzen ersparen wolltest? Und du? Du hast doch auch gelitten", schluchze ich.
"Ich wollte nicht, dass...", fing er an, aber weiter kam er nicht, denn ich flüsterte:"Warum hast du nicht eine, eine einzige Sekunde an mich gedacht? An uns?"
Die Tränen brennen mir in den Augen."Ich liebe dich doch, ich liebe dich immer noch."
Jetzt ist er es, der nickt."Ich liebe dich auch immer noch."
Und dann küsst er mich. Der Kuss ist voller Liebe, voller Schmerz, voller Entschuldigungen.
Und für einen kurzen Moment war es so wie früher.
So, als wäre nichts passiert.
So, als hätte er mich nie verlassen.
So, als wären wir das ganze Jahr zusammen gewesen.
Und in diesem Moment glaube ich daran, dass wie für immer zusammen sein werden. Für immer.

Montag, 25. April 2011

Ich liebe dich!


Ich sehe aus dem Fenster und warte darauf, dass er endlich kommt.
Alles ist weiss, überall ist Schnee. Das Gras, der Tisch, die Stühle. die Büsche und die grosse Tanne im Garten sind mit einer dicken Schneeschicht bedeckt. Im Vogelhaus sitzt ein einziger Spatz, der wartet bis ein anderer Spatz ihm Gesellschaft leisten kommt. Bald würde er sicher nicht mehr einsam sein.
Alle warten auf das Ende der Kälte, des Winters. Auf den Moment, in dem die Sonne wieder scheint, es wieder warm ist. Auf den Moment, in dem der Schnee und das Eis schmilzt, die Blumen sprießen und die Vögel bis spät am Abend Lieder zwitschern.
Nun reist mich der Ton der Türklingel aus den Gedanken.
Voller Vorfreude laufe ich zu der Haustür und ziehe sie mit einem Ruck auf. Er tritt ein, ich schließe die Tür hinter ihm und möchte ihn küssen, doch er dreht ruckartig seinen Kopf zur Seite.
Verwundert schaue ich ihn an und frage mich was bloß mit ihm los ist. Seine Miene ist wie versteinert. Keine Spur von einem Lächeln, kein glänzen in seinen Augen. Nichts.
Er drückt mir einen Strauss aus Rosen in die Hand und ich bedanke mich freundlich bei ihm. Langsam gehe ich in die Küche um eine Vase zu holen. Hinter mir höre ich seine Schritte, also folgt er mir.
Etwas zitternd nehme ich eine Blumenvase aus dem Schrank, fülle Wasser hinein und stelle schließlich die rosa Rosen hinein.

"Die Rosen sind wunderschön", sage ich, als ich mich zu ihm umdrehe.
Als hätte er den Satz nicht gehört, wechselt er schlagartig das Thema und sagt: "Es ist aus."
Bei den Worten ist sein Blick nicht mehr wie erst gerade noch, sondern traurig.
"Ja, du hast richtig gehört. Ich verlasse dich",meint er ohne den Blick abzuwenden.
Dann herrscht Stille, komplettes Schweigen.
Wenige Sekunden später unterbricht ein Klirren die Ruhe. Die Vase liegt zerbrochen, in tausend Scherben am Boden. Daneben die Rosen, die ich vor kurzem noch schön fand. Jetzt sind sie trostlos, hässlich.
Noch immer erwidere ich nichts.
"Es..es...tut mir..so...so...schrecklich Leid", stottert er.
Endlich finde ich meine Sprache wieder und frage flüstern: "Wer ist sie?"
Als er mir keine Antwort gibt, schreie ich: " Wer ist sie, verdammt noch mal?"
"Du kennst sie nicht", lautet seine Antwort.
"Sag mir einfach wer sie ist", kreische ich zornig.
"Ihr Name ist Mila", antwortet er ruhig.
Die Wut steigt und steigt.
"Wie kannst du mir das antun? Ich habe dir immer geglaubt. Ich habe dir immer vertraut. Ich habe so vieles für dich aufgegeben. Meine Träume und meine Wünsche. Meine Familie, meine Freunde. Für dich. Es war alles für dich. Für uns. Damit wir glücklich werden, damit wir glücklich sein können. Ich habe alles gegeben, alles was ich hatte", brülle ich ihn wütend an.
"Es ist einfach passiert, ich konnte nichts dagegen tun. Es tut mir Leid, wirklich", erwidert er darauf. Seine Entschuldigung kann er sich sparen. Das einzige was ich will, ist, ihn zurück, ihn wieder haben.
"Du hast mir versprochen, dass du mich für immer lieben wirst und dass du mich nie verlassen wirst", erinnere ich ihn an sein Versprechen, dass er gerade gebrochen hat.
"Ok, verstanden. Der Grund ist also, dass du nicht allein sein willst", meint er.
"Nein, das ist nicht der Grund", sage ich laut.
"Ach ja? Was ist den der Grund?", will er wissen.
Ich merke, wie die Wut verblasst und Trauer sich in mir breit macht.
"Der Grund ist, dass ich dich liebe", flüstere ich, doch es ist zu spät, denn er hat sich schon umgedreht und rennt davon.
Und dann läuft mir eine einsame Träne die Wange runter. Wie ich und der Spatz draußen im kalten Winter, ist sie allein. Wir sind alle allein.

Mittwoch, 20. April 2011

Abschied



Es ist einer dieser ersten Frühlingstage, einer dieser typischen Apriltage. Es riecht nach allen möglichen Blumen und der Duft würde sicher noch eine ganze Weile in der Luft hängen, da bin ich mir sicher. Auf der Blumenwiese sieht man die Blütenpracht ganz gut und die Farben sind so unglaublich schön und dezent, dass man darin versinken könnte, nie mehr wieder auftauchen möchte. Die Sonne schickt ihre warmen Strahlen auf die Erde, jedoch regnet es in Strömen. Typisch Aprilwetter eben.
Wir stehen vor uns, gut fünf Meter Entfernung haben wir von einander und meine Füße werden langsam nass, da sich die Tropfen an den Gräsern festgehalten haben und jetzt dringen sie langsam in meine Schuhe ein, obwohl sie eigentlich wasserdicht sein sollten. Es ist kein angenehmes Gefühl.
Wir haben Angst, dem anderen etwas zu sagen, Angst uns an zulächeln, Angst uns zu berühren.
Ich weine. Weine wegen ihm, um ihn. Meine salzigen Tränen vermischen sich mit den Regentropfen., so als wäre es Ein.
Er sieht die Tränen nicht, sieht einfach über sie hinweg. So als würde er sie nicht sehen, so als würden sie gar nicht existieren.
"Warum?", flüstere ich fast kaum hörbar.
"Viola, du weist, dass ich dich liebe, dass ich dich immer lieben werde", sagt er. Ich möchte ihm glauben, ihm vertrauen, doch die Zweifel bleiben.
"Aber du darfst nicht in den Krieg gehen. Du darfst das nicht tun. Bitte", flehe ich ihn an. Ich komme mir so vor, als wäre ich ein kleines Kind. Es möchte ein Eis, bekommt es aber nicht.
Stille. Ruhe. Schweigen. Ich fühle mich einsam. Einsam zwischen den Regentropfen, zwischen meinen Tränen und zwischen den nassen Gräsern.
"Ich werde alles tun, um wieder zu dir zurückzukehren", verspricht er mir.
"Alles?", frage ich ihn leise und verzweifelt.
"Ja, alles. Alles was in meiner Macht steht", antwortet er mir.
Ich blicke ihm tief in die Augen. Innerlich hoffe ich die Wahrheit zu erfahren. Wird er jemals wieder zurück kommen? Wird er den Krieg überleben? Wird er mich für immer lieben?`Ich suche nach der Wahrheit, nach den Antworten auf all meine Fragen.  Ich würde alles was ich suchte, niemals finden, dass ist mir klar. Niemals.
"Bitte, küss mich noch ein letztes mal, bevor du gehst", bitte ich ihn.
Es ist egal, wie ich aussehe. Egal, dass mir meine Haare nass und verwüstet am Kopf kleben. Egal, dass mein hellblaues Kleid, wie ein nasser Kartoffelsack an meinem Körper liegt. Egal, dass mir meine frische Schminke an den Wangen runter läuft und alles verschmiert. Alles würde egal sein, solange es ihn und mich gibt. Uns.





Er läuft auf mich zu, nimmt mich in seine starken, muskulösen Arme, hält mich fest, lässt mich nicht mehr los.
Voller Liebe kralle ich meine Finger in sein nasses Haare und küsse ihn dann zärtlich. Seine Lippen sind weich. Feucht und warm vom Regen.
Und dann kommen meine Tränen wieder.
Tränen der Liebe.
Tränen der Sehnsucht.
Tränen der Trauer.
Tränen der Angst.
Tränen, die kein einziger Mensch sehen durfte, sehen wollte.
Ja, und dann lasse ich ihn gehen. Mit der Hoffnung, dass er wieder kommen würde, dass er mich für immer lieben würde.

Dienstag, 19. April 2011

Er






Traurig sah ich ihn an und fragte mich, wie das passieren konnte. Wie?
Ich wollte weg. Weg von dort, weg von diesem schrecklichen Ort. Ich wollte losrennen, doch eine starke Hand hielt mich zurück, hielt mich fest. Liess mich nicht gehen. Ruckartig drehte ich mich zu der Person um und blicke in zwei braune bekannte Augen.
„Warum?“, wollte ich schreien, doch es kam nur ein leises, verzweifeltes Flüstern zu Stande.
„Vielleicht musste es so sein“, meinte Max mit glänzenden Augen und wenig Überzeugung in der Stimme. Er wusste selbst, dass es falsch war, was er zu mir sagte. Falsch. Verlogen.
„Siehst du das? Siehst du ihn?“, kreischte ich meinen besten Kumpel an. Meine Stimme war voller Trauer. Voller Wut. Voller Enttäuschung.
„Es wird alles gut“, murmelte er. Mich nervten seine Hoffnungen. Seine Wünsche. Denn sie würden niemals in Erfüllung gehen. Niemals. Nie. Denn es war eine Lüge, die er erzählte. Die größte Lüge, die ich jemals gehört hatte.
„Nichts wird gut. Siehst du ihn? Siehst du diese Schläuche, die an ihm angeschlossen sind? Siehst du die riesen Spritzen, die voller Medikamente sind? Siehst du seine Verletzungen? Seine Schwellungen? Seine Blutungen? Seinen Körper?“, schrie ich ihn an. Darauf schwieg er, sagte nicht, blieb einfach nur still.
„Erkennst du ihn? Ich nicht.“, flüsterte ich und versuchte meine Tränen zurück zu halten. Hastig blinzelte ich dreimal hintereinander.
„Er wird immer noch der Alte sein. Den Louis, den wir alle kennen“, murmelte er um sich selbst zu überzeugen. Ein Versuch war es wert. Leider ohne Erfolg.
„ Kannten, Max. Er wird nie mehr so sein, wie er war. Wie den Louis, den wir kannten. Kapier es doch endlich, oder bist du wirklich so dumm und naiv?“, brüllte ich Max an. Er erwiderte nichts darauf, sondern packte meine Hand und zog mich ins Krankenzimmer. Wir setzten uns auf die Stühle neben dem Bett, obwohl wir eigentlich gar nicht hier sein durften. Nicht hier. Nicht bei ihm. Nicht bei Louis.
Ängstlich und mit zitternden Fingern nahm ich die Hand von Louis. Sie war blass. Kalt. Fast so, als wäre sie tot.
Tränen liefen mir die Wangen runter. Jede Träne war eine Stunde ohne Louis. Ohne ein Lächeln. Ohne einen Grund weiter zu leben.
Warum ausgerechnet er? Warum nicht jemand anderes? Hunderte Fragen schwirrten in meinen Kopf umher. Darin herrschte Unordnung. Durcheinander. So als hätte jemand mein Hirn auseinander geschraubt und wieder zusammen gesetzt. Jedoch nicht richtig.
„Ich liebe ihn doch, Max. Ich habe ihn immer geliebt. Verstehst du? Er kann nicht gehen. Er darf nicht gehen. Ich kann ohne ihn nicht leben. Ich will ohne ihn nicht leben. Es macht so keinen Sinn mehr. Er ist alles für mich. Alles.“
Mein Körper bebte. Zitterte. Liebevoll strich mir Max den Rücken rauf und runter.
„Ich kann das nicht. Ihn so leiden sehen. Ich will ihn zurück. Lachend. Fröhlich. Glücklich. Doch er sieht so…-so…tot aus.“
„Er lebt.“ Um mich zu vergewissern, legte ich Louis meine Hand aufs Herz. Es klopfte langsam, unregelmäßig. Er lebte. Noch.
„Ich weiss nicht ob ich das schaffe, mein Leben schaffe. Ich habe Angst. Angst vor der Zukunft. Angst vor dem Tod. Angst vor meinem weiteren Leben. Angst, dass er nie mehr bei mir sein wird. Angst vor allem.“
Und dann war der Zeitpunkt gekommen, der Zeitpunkt, den mein ganzes Leben zerstörte. Der Zeitpunkt, an dem meine Welt unterging. Sein Herz setzte aus und er starb. Louis starb. Sein Herzschlag blieb von der einen Sekunde auf die Andere stehen.
Max hatte es sofort an meinen Gesichtsausdruck gemerkt, denn er wollte mir seinen starken Arm um sie Schultern legen, mich trösten. Er wollte mir sagen, dass ich jetzt stark sein musste. Dass ich es schaffen werde. Das alles wieder gut wird. Doch ich wollte das nicht. Ich wollte nichts von all dem.
Federleicht schüttelte ich seinen Arm ab und stand auf. Langsam schlenderte ich zum Fenster und sah in die Nacht heraus. Dunkelheit. Sterne. Mond. Dunkelheit, der Tod. Sterne, meine Tränen. Mond, mein Herz. Die Sonne wäre dann wohl Louis, denn die Sonne zeigte sich nicht. Die Sonne würde sich nie in der Finsternis zeigen. Nicht freiwillig, nur mit Zwang.
Warum wurde mir das genommen was mir am wichtigsten war? Es wurde mir alles genommen. Liebe. Glück. Lust. Respekt. Geborgenheit. Leben.
Der Schock verging langsam. Ich realisierte, dass Louis nie wieder bei mir sein würde. Nie wieder. Ich könnte alles tun, doch er würde nie zurück kehren. Ich hätte meine Leben für ihn gegeben. Alles, was ich hatte.
„Max, gehe bitte“, sagte ich .
„Aber…“, weiter kam er nicht, denn ich schrie: „ Gehe, verdammt noch mal. Gehe einfach!“
Als ich hinter mir hörte, wie sich die Tür öffnete und dann wieder schloss, drehte ich mich um. Ja, und dann passierte es. Ich drehte durch, rastete aus.
Kreischend lief ich zu Louis hin, zog mit voller Wucht die Schläuche, die ihn eigentlich am Leben halten sollten, aus dem leblosen Körper. Aus seinem Körper. Ich warf die Stühle und den Tisch um. Die Vase mit der wunderschönen roten Rose fiel zu Boden, blieb in Scherben zurück. Als ich zu der Glaswand sah, blickte mir Max entgegen. Er weinte und schüttelte den Kopf, so als wollte er sagen, dass ich es nicht tun sollte. Voller Wut warf ich den Medikamentekasten ans Fenster. Das klare Glas zersprang in tausend Stücke. So sah mein Herz aus. Zersplittert. Kaputt. Gebrochen. Tod. Dann kickte ich gegen die Eingangstür. Ich schlug gegen die Glaswand und rief aus reinster Verzweiflung: „ Warum? Warum? Ich liebe ihn doch. Bitte, er soll leben.“
Es geschah nichts.
Ich schlug weiter gegen das Glas ein und kreischte: „ Ich hasse euch, ich hasse auch alle.“
Mein Atem stockte, meine Tränen rannen, meine Wut stieg.
Ich wusste keinen Ausweg. Aus purer Angst vor dem weiteren Leben ohne Louis nahm ich  ein scharfes Glasstück und fuhr damit über meinen Arm. Das Blut rann. Mein Blut. Das Blut des Todes. Voller Schmerzen griff ich mit der anderen Hand an die Wunde. Kurz schrie ich auf, verstummte aber sofort wieder, als ich Max anschaute. Sein Mund war geöffnet, aber er sagte trotzdem kein Wort. Dann fiel er zu Boden, klappte einfach weg.
Meine Kraft verließ mich mehr und mehr.
Langsam fiel ich auf die Knie, sank in mir zusammen. Gab auf. Ich gab mich und mein Leben auf.